Montag, 9. Mai 2016

Von Meta-Ebenen und Unterleuten

Bis vor kurzem wäre es mir undenkbar erschienen, ein Werk von Juli Zeh zu belobhudeln. Erschien mir ihr Werk bisher immer auf mit hervorgehobener Intellektualität verbundene Anerkennungssuche ausgerichtet und hinterließ den Eindruck nur mühsam unterdrückter Larmoyanz. Dann las ich im Buchjournal eins.2016 des deutschen Buchhandels ein Interview mit ihr, in dem sie ein inniges Bekenntnis zum Genre des Gesellschaftsromans abgab und sagte "Mit Unterleuten habe ich alles gegeben, was ich konnte, um einen Gesellschaftsroman für unsere Zeit zu schaffen."

Auch wenn man in Juli Zehs öffentlichen Äußerungen bis dato meinte, einen mokant herablassenden Ton herauszuhören, so eine vollmundige Ankündigung - demütig und selbstbewusst zugleich - machte neugierig. Das interessierte dann doch brennend, wie das denn wohl so aussieht, wenn eine derart hochgelobte, hochdekorierte Autorin wie Juli Zeh ihr ganzes Können in die Waagschale wirft. Zumal auch mein Lieblingsgenre das des so oft zu Unrecht belächelten Gesellschaftsromans ist. Ich wagte mich also an gleich 634 Seiten Juli Zeh und um das Fazit vorwegzunehmen: Juli Zeh hat das Genre zwar nicht neu erfunden, aber sie hat es neu belebt. "Unterleuten" ist ein großartiger Gesellschaftsroman, einen besseren hat es in Deutschland lange nicht gegeben.

Ich habe mich dem Werk mit Respekt genähert und mich bemüht, für diese Rezension ebenfalls alles zu geben. Als "Goodie" gibt es obendrauf noch die Geschichte hinter der Geschichte - investigativ recherchiert, wo ich schon einmal dabei war - , also die auf den ersten Bluick nicht erkennbaren Meta-Ebenen, die um "Unterleuten" herum gebaut wurden.

Viel Spaß mit der Rezension von Unterleuten in der Literaturzeitschrift. 
 !

Lärm - ist nicht gleich Lärm

Geht Euch das auch so? Irgendwie werde ich immer lärmempfindlicher. Es gibt Arten von Lärm, die mich nachgerade aggressiv machen, kurz vor Eskalationsstufe Rot! Aber ich stelle fest: Lärm ist nicht gleich Lärm und meine wachsende Aggressivität der akustischen Belästigung gegenüber hat nichts mit Intoleranz zu tun. Bilde ich mir zumindest ein. Immerhin.

Beispiel. Ich sitze hier gerade am Schreibtisch, Fenster weit geöffnet. In Hörweite ist eine Kita, eine große Kita mit 100 Kindern. Natürlich sind die Ulligen bei diesem feinen Wetterken alle draußen und es ist laut. Ich höre Lachen, Rufen, auch mal Schreien, Juchzen - und es stört mich kein Stück. Das ist Leben, das ist Glück, das ist Unbekümmertheit - alles gut. Gestern nachmittag hingegen saß ich auf der Terrasse und ich hörte ebenfalls Kinderlärm. Drei Blagen in Hörweite tobten durch ihren Garten und durch den Miniwald hinter unserem Haus. Die Blagen kreischten, was das Organ hergab - sichtlich bemüht, die Aufmerksamkeit ihrer mit Bierflaschen beschäftigten Eltern zu erhaschen. Immer schriller, immer lauter, es endete in einer unflätigen Beschimpfung der Blagen untereinander - hier nicht zitierfähig, ohne auf FSK18 umzustellen. Der Jüngste reagierte seinen Frust schließlich damit ab, dass er mit einer Eisenstange Äste von einem Baum abschlug - das war Lärm, der mich ungemein aggressiv machte.

Oder: Uns gegenüber wohnt jetzt ein junges Paar mit hoher Affinität zur Hardrock-Metalcore Szene, die junge Frau kenne ich seit Krabbelgruppenzeiten. Gerne wird drüben mal (so alle 3 Monate einmal) gefeiert, man hört die halbe Nacht Musik und Lachen, teilweise kann ich die Stimmen sogar zuordnen. Stört mich ebenfalls kein Stück, kann ich bestens bei schlafen, sogar das Fenster bleibt weit geöffnet - frei nach dem Motto böse Menschen kennen keine Lieder, weiß ich ja, dass drüben nichts Böses passiert. Aber wenn dann der selbsternannte Blockwart der Whisteria Lane die Polizei ruft und laut auf der Straße herumschaffuttert, dass man ja bei diesem Lärm und so weiter und so fort - dann stehe ich senkrecht im Bett und fühle mich massiv gestört.

Leider nimmt der ungute Lärm immer mehr zu, just gerade mischt in das Kita-Gelärme das Geschreie der Nachbarn zur Linken, die mal wieder was auch immer man weiß es nicht so genau.... Und mein entspanntes Tippen, während ich den Kita-Kindern lausche, wandelt sich so langsam zu wütendem in die Tasten kloppen.....  Ihr kennt sicher auch unzählige Beispiele.